Spezial.

Grenzfälle. Besonderheiten.

Oberhalb Amorbach im Odenwald thront die Gotthardsruine (Titelbild). Die Besonderheit hier liegt darin, dass auf dem Berg zunächst eine Burg, später mit Kapelle stand, die im 12.Jahrhundert vollständig geschleift wurde und ein Benediktinerinnenkloster errichtet wurde. Die dreischiffige Pfeilerbasilika, mit Dach gesichert, ist ein Relikt. Erst in jüngerer Zeit hinzugekommen die ausgegrabenen Fundamente des Klosters; vielleicht kann die alte Burgkapelle auch noch baulich belegt werden.

Doch es gibt weit spezielleres. Wir nehmen künstliche Ruinen wahr, errichtet auch dem Gedenken an das Vergängliche, speisen inmitten Klosterruinenkulissen, entdecken Kirchenreste in Festungsanlagen, finden unterirdische Museen, staunen über UNESCO-Welterbe-Stätten, gemeinhin nicht sakral erkennbar oder sind gar persönlich an der Revitalisierung einer profanierten Kirche beteiligt.

Fast jede Woche verliert allein in Deutschland eine Kirche ihre Bestimmung - nicht immer so prominent wie bei der Abtragung des "Domes Immerath", der samt seinem Ort einem Tagebau weichen musste. Verlust von Gläubigen (evangelisch) oder Mangel an Priestern (katholisch) zwingen die großen Kirchen zu einer Aufgabe manchen Bauwerks. So können allüberall die unterschiedlichsten Nachnutzungen wahrgenommen werden:

+ theologische Bibliothek (Emden)
+ Wohnungen im Dachstuhl (Rostock)
+ Theater in der Halbruine (Dresden)
+ Restaurant in der Innenstadt (Kassel)
+ Parlament (Frankfurt)
+ Café (Conow)
sowie sehr häufig Gemeinschaftssäle oder Konzerträume.

Erwähnenswert und Teil der Datenbank selbstverständlich Felsenkirchen oder Reste von sakralen Räumen in Höhlen, wie sie in den Beispielen Steinkirche, Bretzenheim oder Volkmarskeller überdauern; auch Stellen von Einsiedlern/ Eremiten, die man als "Mönche ohne Orden" bezeichnen könnte, sind Grenzfälle und, wenn nicht ohnehin als "Kapelle" bekannt (Schönbuch), ebenso von Echternach bis Brannenburg vertreten.

Sicher hochspeziell: der Wiederaufbau der Kirchenruine Bergheim. Kaum je zugänglich, da im Truppenübungsplatz Hohenfels gelegen, dient die aufwändige Wiederbedachung dem Artenschutz als Heimstätte seltener Feldermäuse.
Emden, Trier, München, Freiburg. Oder vielleicht Vogtland, Lausitz? Auch die Spezialobjekte sind ordentlich über das Land verteilt und laden zu einem kleinen Stopp, einem Umweg oder gar einer Reise ein.

Türme

Letzte Signale.

Alte Türme als Relikte der abgetragenen Kirchen. Nicht selten als Gedenkstätten mit Andachtsraum oder in sinnhafter Nachnutzung als Leuchttürme.

Mausoleen

Grabkapellen. Friedhofskapellen.

Von Übach bis Kodersdorf - der Verfall auch dieser Bauwerke ist augenfällig.

Emden

Große Kirche.

Mutterkirche der reformierten Gemeinden Norddeutschlands, als Kriegsopfer umgebaut zur Johannes a Lasco Bibliothek.

Foto: Matthias Süßen, Innenraum dergrßenkirche4, verkleinert, CC BY 3.0

Magdeburg

Innenstadt.

Neben großer Wohnbauten ein romanischer Mauerrest des einstigen Klosterkomplexes Unser Lieben Frauen. Auch ein Fragment der alten Wallfahrtskapelle zum Ölberg bereichert die heterogene Szenerie zwischen Landtag und Elbufer.

Fürstlich Drehna

Mitten in der Lausitz, inmitten einstiger riesiger Braunkohle-Tagebauen. Die nahegelegene Wüste Kirche aus dem 13.Jahrhundert, mächtig erhalten, einstige Wallfahrtskirche und noch zu DDR-zeiten ein Besuchermagnet, war 1979 gesprengt worden und im Tagebau Schlabendorf-Süd aufgegangen. Nach dessen Rekultivierung wurde 2003 ein Grundmauerdenkmal erbaut, das jedoch wegen instabilen Untergrundes derzeit nicht zugänglich ist. Lebensgefahr!

Böddeken

Die Ruine des Augustiner-Chorherren-Stifts liegt inmitten eines landwirtschaftlichen Gutes mit Internat. Bekanntgeworden durch eine Steuer-Gerichtsentscheidung zum Thema Renovierungsaufwand einer Kirchenruine (als nicht unmittelbar wirtschaftlich genutztes Anlagevermögen).
FG Münster, Az. 7K1039/14E

Koblenz

In den Anlagen des Fort Großfürst Konstantin, von einem Förderverein zeitweise zugänglich gemacht, die ergrabenen Reste der Vierstützen-Krypta der Kirche des hier zuvor gelegenen Kartäuserklosters, das wiederum aus dem Benediktinerkloster St.Beatus hervorgegangen war.

Trier

Kaisertherme.

Vordergründig eine römische Badruine, die genau wie die Porta Nigra, auch über die Zeitepochen hinweg eine andere Nutzung mit sakralem Hintergrund sah.
Hier die Apsis, die über etwa drei mittelalterliche Jahrhunderte eine Dreifaltigkeitskapelle beherbergte.
Foto: Thomas Wolter bei pixabay (CC0).

Hornbach

Benediktinerkloster aus dem 8.Jahrhundert.

Neben einem Klostermuseum, Grundmauernfragmenten und einer Kapelle über dem Pirminiusgrab lässt sich im Klosterhotel inmitten hoher Mauerreste speisen.

Burgstein

Vulkanische Erhebung im Vogtland. Nur für 17 Jahre auch Name einer Gemeinde aus acht Dörfern.

Bedeutend wegen einer Wallfahrts- und einer Pfarrkirche auf dem Hügel, beide in mächtigen Ruinen erhalten. Grenze zwischen den Bistümern Bamberg und Naumburg.

Dentlein am Forst

St.Cyriakus ?

Die Zirkelkappel könnte auch ein Wachturm oder Grenzfeste gewesen sein.

München

Fröttmaning.

Keine Ruine, keine Kirche, aber ein teilversunkenes Denkmal, das in Kirchenform an das untergegangene Dorf Fröttmaning erinnern soll. Blick zur weit bekannteren "ming'Arena". Unweit überdauert als "echter" Rest die romanische Wehrkirche Heilig Kreuz - als älteste Kirche auf Münchner Stadtgebiet.

Kempten

Erasmuskapelle. Kapelle St.Michael.

Unter Kemptens zentralem St.Mang-Platz die Reste der einstigen Doppelkapelle, beeindruckend aufbereitet und museal zugänglich.

Freiburg

St.Elisabeth, 1965.

2006 profaniert, später Umbau zu einer Eigentums-Wohnanlage unter Beibehaltung sakraler Elemente. Grundbuchlich ausgeschlossene "unwürdige" Nutzungen. Unter dem Projektnamen "church chill" weithin bekannt geworden.

Überblick.

Je 12 Objekte. Eine Auswahl.

Wiederaufbau (weiß)
Türme (hellblau)
Burgkapellen (ocker)
Grabkapellen (schwarz)
Spezialobjekte (rot)


Kartengrundlage:
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